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Rock.Büro SÜD (Bernd Schweinar): ”Sacco & Mancetti” haben nach zwei Alben bei Chrysalis/EMI ihre dritte CD ”Big Audience” (Rough Trade/BSC) selbst produziert. Welche Grundvoraussetzungen waren dazu notwendig?
Jockl Peithner: Wir haben schon immer versucht, alles möglichst weit selbst zu produzieren. Deshalb wurden auch die Gelder die geflossen sind, von uns größtenteils wieder reinvestiert, um eben nicht mal vor der Situation stehen zu müssen, dass man kurz 50.000,- € auf den Tisch legen muss, wenn man eine CD produzieren will - und so viel kostet es nämlich, wenn ich selbst gar nichts habe. Unser Motto lautet also frei nach dem Markt: Produktionsmittel in die eigenen Hände. Die Investition von, sagen wir mal 15.000,- € in ein gescheites Aufnahmeequipment, ist es allemal wert. Zum Abmischen kann man dann ja wieder in ein Studio gehen.
Rock.Büro SÜD: Wer von euch hat die dritte CD ”Big Audience”, sprich die erste Eigenproduktion abgemischt?
Jockl Peithner: Das habe ich gemacht. Ich habe mich zwischendrin immer wieder mal ein paar Tage von meinem Architekturbüro freigemacht und diese Zeit im Studio gearbeitet, mich dabei auch immer mehr dem genähert, was ich mir vorgestellt habe.
Rock.Büro SÜD: Wie weit spielte dabei die Erfahrung mit Rene Tinner (u.a. Marius Müller-Westernhagen) eine Rolle, der eure zweite CD ”Famous” (Chrysalis/EMI) abgemischt hatte?
Jockl Peithner: Von dem habe ich viel mitbekommen. Wenn der selbst masterst, sitzen auch nicht immer alle daneben. Aber ich habe bei "Famous" zu dem gesagt, dass er mir den Spaß erlauben muss. Ich sagte: Du machst jetzt da rum und ich setze mich zehn Tage hinter dich in den Drehstuhl und schau wie du das machst. Ich habe dabei unglaublich viel mitbekommen; davon, wie der überhaupt an eine Abmischung herangeht und anfängt. Es gibt ja welche, die machen es nach dem ’Try-And-Error’-System, wild drauf los um dann zu lamentieren, dass die Wahrheit nur im Experiment liegt. Es gibt aber auch solche, die ganz konzentriert und zielgerichtet herangehen. Leute, die schon bestimmte Soundvorstellungen haben und die ganz gezielt sich dem dann nähern.
Rock.Büro SÜD: Die Gefahr vor lauter Betriebsblindheit die Distanz zum eigenen Produkt zu verlieren ist dabei doch latent vorhanden? Und bestimmt nicht gering.
Jockl Peithner: Die Gefahr ist vorhanden - und zwar sehr groß. Aber es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er es sich zutraut, sein Album selbst zu produzieren. Das hängt auch entscheidend von der Struktur der Band ab. Wir kochen auch nicht alles im stillen Kämmerlein aus und fallen uns am Schluss glücklich in die Arme. Unser Regulativ ist zum einen die Band selbst. Bei mir sind auch noch Leute wichtig, auf deren Meinung ich viel gebe, und zwar sind das in erster Linie KEINE Musiker. Schlussendlich sind auch Leute wichtig, die ich zusätzlich mit einbeziehe.
Wir machen nicht alles selbst. Ich kann auch im Moment noch nicht sagen, ob ich die nächste CD, wie wir im Moment aufnehmen, selbst abmischen werde. Der große Reiz, um eine CD selbst zu machen, liegt nicht darin, jedes Knöpfchen selbst zu drehen und alles alleine zu machen. Der Reiz liegt vielmehr darin, dass man alles alleine verantwortet und am Schluss als das wiedererkennt, was man vorher wollte.
Für viele Bands kann es aber sehr gut sein, ein Album mal von einem anderen produzieren zu lassen - das muss kein Rene Tinner sein, viele können sie Vollprofis gar nicht leisten. Aber es gibt genügend kompetente Leute in der Branche, mit denen man seine eigenen Möglichkeiten als Band aus einem ganz anderen Blickwinkel ausloten kann. Solche Leute sollten vorher eine möglichst große Distanz zur Band aufgewiesen haben. Am meisten hat es mich weitergebracht, wenn ich Leute dran gelassen habe, die uns a) noch nicht gehört hatten, und die b) auch nicht unbedingt auf uns gestanden sind.
Interview mit Jockl Peithner, "Sacco & Mancetti"
(Auszug aus dem "Rockbuch 95/96" )
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